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„Nur 40+ Barsche“ – „Angeln im Paradies“ – „Der schönste See der Welt“. Mit diesen Titeln wird das Angeln auf den Azoren von mehreren bekannten Angel-YouTubern beworben. Doch ist es wirklich so einfach, gigantische Flussbarsche, Riesen-Hechte und XXL-Schwarzbarsche zu fangen, wie es teilweise in den Videos erzählt wird? Unser Autor Patrick war eine Woche auf dieser traumhaften Insel und konnte sich ein eigenes Bild davon machen.
Die kleine Inselgruppe im Atlantik, welche zu Portugal gehört, bekommt derzeit viel Aufmerksamkeit. Unter Vielreisenden gelten die Azoren noch als Geheimtipp. Unglaublich schöne Landschaft, überall Blumen, tolle Wanderwege, leckeres Essen, mildes angenehmes Klima und freundliche Einheimische. Durch den kleinen Flughafen ist die Zahl der Touristen noch überschaubar, steigt jedoch stetig an.
Die Azoren gelten als Hotspot für Big-Game-Angler, mehrere Weltrekorde wurden dort aufgestellt. Im Süßwasser angelt jedoch kaum jemand, obwohl sich dort still und heimlich ein beachtlicher Raubfischbestand entwickelt hat.
Während eines einwöchigen Urlaubs habe ich die drei bzw. vier großen Seen der Hauptinsel Sao Miguel beangelt. Und natürlich auch das Meer. Effektiv habe ich ca. 10 Stunden am Süß- und 2 Stunden am Salzwasser verbracht. Da es in erster Linie ein Familien-/Wander-Urlaub war, musste ich mich damit zufrieden geben. Aber besser als gar nicht 🙂
Anreise, Tackle & Angellizenz
Von Zürich ging es über Lissabon auf die Hauptinsel Sao Miguel, wo wir am Flughafen Ponta Delgada den unbedingt notwendigen Mietwagen empfingen. Unsere Ferienwohnung befand sich sehr zentral in Rabo de Peixe, so dass man in maximal 1 1/2 Stunden an jedes Ende der Insel gelangen konnte.
Da ich durch meinen Urlaub in Mexiko bereits etwas Erfahrung mit dem Angeln im Salzwasser hatte, fiel mir meine Entscheidung bezüglich des Tackles relativ leicht:
- Setup I: Savage Gear XLNT2 Roadrunner, 4-teilig, 214cm, 10-40g (tatsächlich eher 10-30g). Tolle Allround-Rute mit Transport-Hardcase. Kombiniert mit einer 2500er Shimano Sustain FI und 10lb Sunline Super PE. Normalerweise würde ich zum Meeresangeln minimum 20lb nehmen, aber da ich sie auch im Süßwasser verwenden wollte nahm ich 10lb.
- Setup II: Daiwa Prorex XR PXXTS, 4-teilig, 240cm, 40-90g (tatsächlich aber weniger WG). Ebenfalls gute Allround-Rute mit Transport-Softcase. Kombiniert mit 3000er Daiwa BG Magsealed und 30lb Daiwa J-Braid. Auch hier habe ich wegen der Süßwassertauglichkeit eine dünnere Schnur genommen, normalerweise ist Schnur mit 60lb Tragkraft aufgespult. Zielfische hier: Mittlere bis große Hechte, größere Meeresfische.
Beide Ruten sind relativ vielseitig und ich fische praktisch alles damit: Jigs & Rigs, Chatterbaits, kleinere Popper & Stickbaits sowie Cranks & Twitchbaits von 5-10cm. Ich weiß, optimal wäre natürlich eine Rute für jede Köderart, aber im Urlaub bin ich lieber leicht und flexibel unterwegs. Und der Platz im Koffer ist natürlich auch begrenzt.
Angelkarten
Die Angelkarten bekommt man bei der Forstbehörde (Direcao Regional dos Recursos Florestais, R. do Contador 23 in Ponda Delgada). Preis: 1,03€ (!) für 10 Tage. Kein Schreibfehler, sie sind wirklich extrem günstig. Man muss nur seinen Personalausweis mitnehmen und ein paar Brocken Englisch sprechen. Oder mit dem Handy übersetzen.
Erfahrungen am Wasser
Aber jetzt will ich nicht länger um den heißen Brei reden. Kommen wir zum Angeln. Neben dem offensichtlichen Meer, beherbergt die Insel noch die oben genannten Süßwasser-Seen: Lagoa Azul & Verde (sind direkt miteinander verbunden), Lagoa do Fogo und Lagoa des Furnas.
Lagoa Azul / Verde
Das große Gewässer bei Sete Cidades besteht aus zwei Seen, welche durch eine Brücke voneinander getrennt sind. Die Namen kommen übrigens von den Farben: Durch den Lichteinfall und die Spiegelung der Wälder wirkt der obere Lagoa Azul bläulich und der untere Lagoa Verde grünlich. Übersetzt heißen „verde“ und „azul“ nämlich grün und blau.
Zum Angeln ist insbesondere der Lagoa Azul interessant, da der Lagoa Verde im Uferbereich meist sehr / zu flach ist. Allerdings muss man beim Lagoa Azul viel Strecke machen um passende Spots zu finden. Zu Fuß ist das zwar möglich, aber per Auto bequemer. An beiden Seen kann man etwa 2/3 des Uferbereichs befischen. Letztendlich haben wir 4 Stunden mit Suchen und nur 1 Stunde mit Angeln verbracht.
Gefangen haben wir ein paar kleine Hechte und mittlere Barsche. Köder waren verschiedene Wobbler, Chatterbaits, Gummis, Stickbaits usw. Mein persönlicher Top-Köder war der 5g Fish Arrow KO-Chatter mit einem 2.8″ Keitech Fat Swing Impact. Dennoch mussten wir sehr viel probieren und nach einem Fisch war der Spot auch schon „verbrannt“, so dass man weiter laufen oder fahren musste.
Am Ufer konnten wir einige große Karpfen mit locker 20kg Gewicht sehen. Gezielt beangelt haben wir diese allerdings nicht, da wir nur das leichte Tackle dabei hatten und kein Risiko eingehen wollten, den Fisch im Drill zu verlieren.
Alles in allem zwei tolle Seen, die man sich aber erarbeiten muss. So, wie man es im Video von Viktor alias „Ich geh angeln“ sieht, war es bei uns nicht. Dennoch scheinen sie Potential zu haben, man muss nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit dem richtigen Köder angeln. Und ein bisschen Glück haben. Wie so oft beim Angeln. Der See hat auf jeden Fall Dickfisch-Potential.
Lagoa do Fogo
Der Lagoa do Fogo gefiel mir optisch noch besser als die Seen von Sete Cidades. Er ist allerdings nichts für Leute die schlecht zu Fuß sind, denn der Weg an den See dauert zwar nur 30min, geht aber steil bergab. Und die selbe Strecke muss man auch wieder hinauf laufen.
Forellen, Flussbarsche, Hechte o. ä. haben wir nicht gesehen, dafür extrem (!) viele kleine Karpfen. Wäre interessant zu wissen, ob es dort auch große Karpfen gibt oder der Bestand verbuttet ist.
Auf Chatterbaits und Topwater-Frösche erwischten wir gleich mehrere Schwarzbarsche. Alles sehr gesunde und gut kämpfende Fische. Auch die Größe und Frequenz waren absolut in Ordnung. Für mich war der Lago Fogo der See mit der spannendsten und auch schönsten Angelei auf den Azoren.
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Lagoa das Furnas
Der See an der gleichnamigen Ortschaft ist windanfälliger als die anderen Seen. Hier blies der Wind echt ordentlich. Dennoch erwischten wir auf Chatter- und Twitchbaits ein paar kleine Barsche und kleine bis mittlere Hechte. Außerdem gab es mehrere Attacken auf große Stickbaits. Eine tolle und recht kurzweilige Angelei!
Andere Fische haben wir nicht gesehen. Das Ufer ist gut begehbar, optisch ist der See jedoch eher unspektakulär. In der Ortschaft gibt es noch einen Bach, an dem ich eine Forelle auf einen 1.5″ Reins Aji Ringer Shad mit 3g Jig erwischen konnte.
Aber nicht nur zum Angeln ist Furnas schön, sondern auch der Terra Nostra Park sowie die heißen Quellen sind einen Besuch wert. Tipp: Bucht 24 Stunden vorher ein Essen in „Tonys Restaurant“. Dort gibt es eine azorische Spezialität namens Cazido das Furnas. Das ist ein Eintopf, der in heißes Vulkangestein eingegraben wird und dort den ganzen Tag gart.
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Angeln im Atlantik
Zusammenfassung
Ist der Hype nun gerechtfertigt? Teilweise. Sooo einfach es in den Videos auch dargestellt ist: Auch hier springen einem die Fische nicht in den Kescher. Die Seen sind teilweise recht groß, das Ufer nicht überall begehbar und allesamt, wie die ganze Insel generell, sehr windanfällig. Auch am Meer war das finden von Spots schwierig, weil die Küste teilweise extrem steil bzw. sogar senkrecht abfällt und man oftmals gar keine Möglichkeit hat, an das Wasser zu kommen. Selbst Google Maps half hier nicht wirklich weiter.
Dennoch hatten wir sehr großen Spaß auf den Azoren. Neben den vielen verschiedenen Fischarten ist natürlich die Landschaft überwältigend. Und man kann eine tolle und abwechslungsreiche Angelei erleben. Die Angelkarte ist lächerlich günstig, die Fischbestände gut und der Befischungsdruck ist (noch) relativ gering. Viele der Fische bissen mehrmals und unheimlich aggressiv, was die Angelei noch unterhaltsamer machte.
Kleiner Tipp: Eure Frauen / Freundinnen lassen sich leichter zu einem Azoren-Urlaub überreden, wenn man auf die herrlichen Wanderwege und grandiosen Leckereien hinweist. Hier kann man eine tolle Kombination aus Angel- und Wanderurlaub erleben. Wir werden die Azoren ganz bestimmt wieder besuchen.
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